Im Galopp durch Südrussland und Kasachstan bis nach Usbekistan – auf der Suche nach dem alten Orient
Dobryj djen, liebe Reisefreundinnen und Reisefreunde,
wir befinden uns mittlerweile im südlichen Teil Russlands, dem Land der Kosaken. Die Gemeinschaften freier Reiterverbände entstanden einst genau hier aus flüchtigen Leibeigenen, Abenteurern und anderen Abtrünnigen. Der Eskapismus-Gedanke verbindet uns mit den Kosaken. Wir lassen den Alltag der modernen Welt hinter uns und „reiten“ in das neue Unbekannte.
Das beidseitige Interesse ist groß, das ganze Dorf hat sich versammelt und feiert mit uns. Kosakenanwärter und Kosakenanwärterinnen können bei der Kosakenweihe ihre Trinkfestigkeit beweisen. Wer es schafft, ein Glas „Samogon“, selbstgebrannten Schnaps, in einem Zug von der Klinge eines Säbels zu trinken, wird laut bejubelt. Gutes Essen, Musik und Tanz – ein riesen Spaß bis tief in die Nacht. Einige Kosakenfrischlinge werden sich wohl noch lange von diesem Abend erholen…
Auf dem Weg nach Wolgograd besuchen wir die deutsche Kriegsgräberstädte Rossoschka. Beim Anblick der vielen Gräber läuft uns ein kalter Schauer den Rücken herunter.
Als Stalingrad ging die Stadt im Zweiten Weltkrieg in die Weltgeschichte ein. Der Mamajew-Hügel war damals ein strategisch wichtiger und hart umkämpfter Punkt der Frontlinie. Heute erinnert eine monumentale Gedenkstätte an die blutige Geschichte der Schlacht von Stalingrad.
Wir kommen genau rechtzeitig für die letzte Wachablösung des Tages an der ewigen Flamme auf dem Hügel. An den Wänden des kreisrunden Pantheons sind die Namen von über 7.000 in Stalingrad gefallenen sowjetischen Soldaten verewigt. Hier wird in Dauerschleife Robert Schumanns „Träumerei“ vom Band abgespielt – ein mehr als außergewöhnlicher Ort für die Musik eines deutschen Komponisten.
An einem Seitenarm der Wolga gelegen genießen wir den letzten Tag in Russland direkt am Fluss. Kulinarischer Abschluss sind selbstgemachte Salate nach russischem Rezept. Andrew, unser russischer Reiseführer, der uns noch bis nach Kirgistan begleiten wird, stößt mit uns an. „Na pososchok“ ist der letzte Trinkspruch, den man Gästen mit auf den Weg gibt. Trinkfeste Gäste sind in Russland gerne gesehen und Trinken ohne Trinkspruch gilt als Besäufnis.
Es geht über die Grenze nach Kasachstan. Lange Etappen und schlechte Straßen liegen vor uns. Eine echte Herausforderung für Mann beziehungsweise Frau und Maschine!
Unser erster Boxenstopp liegt direkt am kaspischen Meer. Unser Pionierfahrzeug ist schon vor Ort und gibt grünes Licht! Durch die Dünenlandschaft geht es zum Schlafplatz. Sternenhimmel und völlige Stille – traumhaft…
Der frühe Vogel fängt den Wurm, pünktich zum Sonnenaufgang geht es zurück auf kasachische „Straßen“.
„Löcherlich“-erschütternde Straßenverhältnisse im neuntgrößten Land der Welt machen uns das Leben schwer. An vielen Stellen tiefe Schlaglöcher, woanders ist nicht mehr viel vom Asphalt übrig.
Unsere vierbeinigen Kollegen haben schon härtere Etappen hinter sich und sind unbeeindruckt von den vorbeirollenden Wohnmobilen.
Geschafft! In der Kasachischen Steppe, unweit der usbekischen Grenze, gilt es nun wieder zu Kräften zu kommen. Wir kochen gemeinsam „Plov“, ein traditionelles usbekisches Gericht, das zum immateriellen Weltkulturerbe gehört. Ein echter Gaumenschmaus.
Die letzte Tankmöglichkeit auf kasachischer Seite. In Usbekistan soll es schwer sein an guten Diesel zu kommen. Doch dazu später mehr… In der Zwischenzeit wird die Schlange am Schalter der Tankstelle immer länger. Das Internet ist ausgefallen, die Kreditkartenterminals nutzlos, der nächste Bankautomat ist kilometerweit entfernt und die letzten kasachischen Tenge sind ausgegeben. Was tun? Kein Problem, der Tankwart zückt das Telefon. Nach wenigen Minuten trifft die mobile Wechselstube ein.
Den Grenzübergang absolvieren wir in Rekordzeit. Vielleicht gab es einen Geburtstagsbonus? Heute feiern wir Ulrikes Geburtstag in der usbekischen Steppe. Zu deinem Geburtstag wünschen wir dir die schönsten Sonnenauf- und untergänge an den schönsten Orten mit deinen liebsten Menschen!
Dank unseres engagierten Fahrens – an dieser Stelle nochmal ein großes Lob an alle Schlaglochausweichprofis – stehen wir schon einen Tag früher als geplant vor den Toren der historischen Altstadt Chiwas. Es ist Sonntag und viele Einheimische nutzen den milden sonnigen Tag im April wie wir für einen Spaziergang. Darunter auch diese Schulkinder auf Klassenfahrt aus Samarkand. Die Kinder können neben Englisch und Französisch in vielen Schulen auch Deutsch als Fremdsprache wählen. Viele Leute, die wir hier treffen, sind echte Sprachtalente. Die meisten wachsen mindestens bilingual auf, je nach Region und der dort lebenden Volksgruppen können es auch mehr Sprachen sein.
Wir sind zu Gast in einem islamischen Land. Die Bezeichnung „Usbeken“ leitet sich von Usbek Khan ab, einem Khan der Goldenen Horde, der den Islam in seinen Ländern durchsetzte.
Die Beschneidungszeremonie wird in letzter Zeit weniger gefeiert, obwohl sie eine sehr alte Tradition ist. „Sunnat Toy“ feiert man derzeit nicht unmittelbar am Tag der Beschneidung wie früher (heute werden die Jungen ausschließlich von einem Arzt in der Klinik beschnitten), sondern zu einem späteren passenden Zeitpunkt wie hier an dem Tag unserer Besichtigung der Altstadt. Die traditionelle Kleidung zu diesem Anlass ist ein echter Hingucker.
Der Choresm-Stil ist der beliebteste und bewegungsreichste orientalische Tanzzstil. Man vermutet, dass einige Bewegungen aus der schamanischen Tradition und den Zeiten der Feueranbeter stammen. Der hier zu sehende Tanz “Lesgi” hat einen sehr ekstatischen Charakter.
Nach all diesen Eindrücken stoßen wir beim gemeinsamen Abendessen mit usbekischen Spezialitäten an: Prost, oder wie man auf usbekisch sagt „Sog’lik uchun“!
Die Menschen hier sind wahnsinnig gastfreundlich und das Interesse an uns Reisenden ist groß. Die märchenhafte Architektur der Timuriden mit ihren blauen Kuppeln, verzierten Minaretten und galsierten Kacheln ist atemraubend. All das sprengt unsere Erwartungen an das Land…
Entlang der alten Seidenstraße liegen noch drei weitere prunkvolle und geschichtsträchtige Städte auf unserer Route, auf deren Charme wir schon gespannt sind.
Euer Team vor Ort Jörn, Su, Max und Andi
Zurück zu Etappe 1 | Etappen-Übersicht |
Weiter mit Etappe 3 |